Warnung erforderlich! – Urlaub verjährt nicht automatisch

BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20

In einem Grundsatzurteil, welches unionsrechtlichen Vorgaben folgt, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Urlaub nicht automatisch nach drei Jahren verjährt. Es sei vielmehr eine rechtzeitige Aufforderung zur Inanspruchnahme des Urlaubs unter Warnung einer drohenden Verjährung durch den Arbeitgeber erforderlich.

Geklagt hatte eine Steuerfachangestellte, die bei dem beklagten Steuerberater von 1996 bis 2017 beschäftigt war. Arbeitsvertraglich stand ihr ein Anspruch auf Erholungsurlaub von 24 Tagen pro Jahr zu. Die Klägerin kam aus betrieblichen Gründen nicht dazu, ihren Erholungsurlaub zu nehmen. Der Beklagte bescheinigte ihr daher in einem Schreiben vom 01.03.2012, dass ihr „Resturlaubsanspruch von 76 Tagen aus dem Kalenderjahr 2011 sowie den Vorjahren" nicht am 31.03.2012 verfalle, weil sie den Urlaub wegen des hohen Arbeitsaufwands in der Kanzlei nicht habe antreten können.

Auch in den Folgejahren 2012 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahre 2017 nahm die Klägerin den ihr zustehenden Erholungsurlaub nur bedingt, nämlich nur an insgesamt 95 Tagen. Ihren gesetzlichen Mindesturlaub von 120 Tagen für diesen Zeitraum nahm sie somit ebenso wenig in Anspruch wie den angesammelten „Alt-Urlaub“. Die Klägerin wurden von dem Beklagten weder aufgefordert, den ihr zustehenden Urlaub vollständig zu nehmen, noch wies er sie darauf hin, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen könne.

Das Arbeitsverhältnis wurde 2017 beendet. Im Zuge dessen machte die Klägerin die Abgeltung von insgesamt 101 Urlaubstragen, 76 Tage resultierend „aus dem Kalenderjahr 2011 und den Vorjahren“ und 25 Tage resultierend aus der Zeit von 2012 bis 2017, geltend.

Im Klageverfahren verteidigte sich der beklagte Arbeitgeber damit, dass der Urlaub verfallen sei. Er habe seine Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten nicht kennen und befolgen können, da sich die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geändert habe. Zudem seien die Urlaubsansprüche der Klägerin verjährt. 

Das Arbeitsgericht hatte den Beklagten in erster Instanz zur Abgeltung des restlichen Urlaubs aus dem Jahr 2017 verurteilt. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin verurteilte des Landesarbeitsgericht den Beklagten weitergehend der Klägerin weitere 76 Urlaubstage aus den Jahren 2013 bis 2016 abzugelten. 

Hiergegen legte der Beklagte Revision zum BAG ein und begehrte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles. Die Revision hatte jedoch keinen Erfolg.

Die Bundesrichter urteilten, dass zwar die Vorschriften über die Verjährung (§§ 214 Abs. 1, 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung fänden. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe. Insoweit sei mangels eines entsprechenden Hinweises keine Verjährung der Ansprüche eingetreten. Dass die Hinweisobliegenheit zum Zeitpunkt, an dem der Urlaubsanspruch entstanden war, noch nicht gerichtlich entschieden war, sei ohne Relevanz.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie in dem Mandantenbrief Januar 2023.

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