Steuerpflicht bei zinslosen Darlehen

Die Gewährung zinsloser Darlehen ist gerade unter verwandten oder befreundeten Personen eine weit verbreitete Praxis. Nur selten machen sich die Beteiligten hierbei Gedanken über mögliche schenkungsteuerliche Implikationen der Darlehensvergabe. Zu Unrecht, wie eine Entscheidung des FG Münster (Urteil vom 29. März 2012) einmal mehr belegt. Die Entscheidung macht aber zugleich deutlich, dass die bislang angewandten Besteuerungsregeln gerade in der heutigen Niedrigzinsphase zu unangemessenen Ergebnissen führen.

Im vom FG Münster entschiedenen Fall hatte der Darlehensgeber seiner Lebensgefährtin ein unbefristetes und unverzinsliches Darlehen gewährt, das nach etwa sechs Jahren zurückgezahlt wurde. Das FG Münster sah hierin eine steuerpflichtige Schenkung. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, wonach sowohl ein zinsloses, als auch ein niedrig verzinsliches Darlehen eine freigebige Zuwendung darstelle und folglich der Schenkungsteuer unterliege. Begründet wird dies mit dem vom Darlehensgeber unentgeltlich gewährten Recht, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen, welches der Darlehensgeber ansonsten selbst ertragbringend einsetzen könnte.

Die sich im Anschluss stellende Frage, wie der bei der Darlehensnehmerin entstehende Nutzungsvorteil zu bewerten sei, beantwortete das FG Münster in der zitierten Entscheidung auf Grundlage der §§ 12 ff. BewG unter Berücksichtigung der effektiven Darlehenslaufzeit von sechs Jahren. Das Gericht stellte hierbei auf § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG ab, wonach der Wert unverzinslicher Forderungen oder Schulden, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind, dem Betrag entspricht, der vom Nennwert nach Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen verbleibt. Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 BewG ist dabei von einem Zinssatz von 5,5 % auszugehen.

Den Kapitalwert des Nutzungsvorteils ermittelte das FG Münster dementsprechend auf der Basis eines Zinssatzes von 5,5 %. Ausdrücklich hielt das Gericht in der Urteilsbegründung fest, dass ein entsprechender Zinssatz in den maßgeblichen Streitjahren "jedenfalls bei seriöser Geldanlage" nicht erzielbar gewesen wäre. Nach Überzeugung des Gerichts hätte am Markt unter Berücksichtigung von Laufzeit und Darlehenssumme lediglich ein Zinssatz von 4,5 % erzielt werden können. Gleichwohl sah sich das FG Münster gehindert, bei der Bemessung des Nutzungsvorteils der Beschenkten den am Markt erzielbaren Zins zugrunde zu legen, da nach dem BewG der Ansatz eines anderen Zinssatzes als 5,5 % nicht in Betracht komme. Offensichtlich fühlte sich das Gericht dennoch im Ergebnis nicht wirklich wohl mit der getroffenen Entscheidung. Zur Fortbildung des Rechts wurde daher die Revision zugelassen.

Tipp: Es ist zu wünschen, dass der BFH im Rahmen des Revisionsverfahrens die Gelegenheit nutzt, zu den Möglichkeiten der Feststellung eines abweichenden Marktzinses Stellung zu nehmen und den Steuerpflichtigen die Option eröffnet, den schenkungsteuerlich maßgebenden Nutzungsvorteil auf der Basis der Differenz zwischen dem nachgewiesenen marktüblichen Kapitalzinssatz und dem vereinbaren Zinssatz zu berechnen. Ein Zinssatz von 5,5 % kann u. E. nicht als Maßstab für die Bewertung des unentgeltlich überlassenen Vorteils herangezogen werden, wenn am Markt nachweisbar nur ein niedrigerer Zinssatz zu erzielen gewesen wäre. Würde man dies anders sehen, müssten Darlehensgeber in der heutigen Zeit zur Vermeidung schenkungsteuerlicher Folgen von ihren Verwandten und Freunden wohl stets einen erheblich höheren Zins verlangen als denjenigen, den sie am Markt bei "seriöser Geldanlage" würden erzielen können. Dies wird den betroffenen Darlehensnehmern nicht immer leicht vermittelbar sein.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie im Mandantenbrief Januar 2013.
 
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