Keine „Schönwetter-Selbständigkeit“ bei Statusbeurteilungen in Familienbetrieben

Das Bundessozialgericht (BSG) hat bei Familiengesellschaften neue Bewertungsgrundsätze aufgestellt. Danach werden die bisherigen Regelungen in Frage gestellt. 

In Familienbetrieben ist seit Jahren die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit bei den mitarbeitenden Familienangehörigen fließend und strittig. Das Bundessozialgericht (BSG) hatte bereits vor Jahren in einem Urteil (11.02.1993, 7 Rar 48/92, Nr. 23) entschieden, dass in einer sogenannten Familien-GmbH trotz fehlender Beteiligung an der GmbH (also ohne Gesellschafterstellung) die Befugnisverhältnisse derart gestaltet sind, dass kein Anstellungsverhältnis vorliegt. Dies resultiert in der Praxis daher, dass die Arbeitsverhältnisse weniger aus den Arbeitsverträgen herrühren, sondern eher aus den familiären Verhältnissen. Demnach kam regelmäßig Sozialversicherungsfreiheit für Familienangehörige in Betracht, wenn die zu beurteilende Person das Unternehmen faktisch wie ein Alleininhaber führt und von Weisungsrechten aus familiärer Verbundenheit kein Gebrauch gemacht wird. Hier hat das BSG nunmehr eine Kehrtwende vollzogen.

Das Bundessozialgericht hatte folgenden Fall zu beurteilen:

Alleingesellschafter und -geschäftsführer der Familien-GmbH war bis zu seinem Tod der Vater des zu beurteilenden Sohnes. Im Wege eines Gesellschafterbeschlusses hatte der Vater seinem Sohn die Leitung des technischen und gewerblichen sowie seiner Tochter die des kaufmännischen Unternehmensteils übertragen. Zudem wurde eine Beteiligung am betrieblichen Erfolg (Tantiemen), die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot (§ 181 BGB), ein Verzicht auf das Weisungsrecht des Vaters sowie freie Bestimmung und Gestaltung der Arbeits- und Urlaubszeit niedergelegt.

Die Vorinstanzen sind nach diesem Sachverhalt von einer selbständigen Tätigkeit des Sohnes ausgegangen. Die tatsächlichen Verhältnisse (Übernahme der Betriebsführung zusammen mit der Schwester, alleinige Branchenkenntnisse des Sohnes, Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot, Führen von Kundengesprächen, Einholen von Angeboten, Erstellen von Kalkulationen ohne Absprache mit dem Vater) sprechen gegen ein Anstellungsverhältnis. 

Das BSG hat jedoch gegen die Vorinstanzen entschieden, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Das BSG hält hierzu grundsätzlich Folgendes fest:

Der Sohn selbst unterlag in dem ihm eingeräumten Vollmachtsrahmen gesellschaftsrechtlich zwingend der Kontrolle des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers der Familien-GmbH, also seines Vaters, der die maßgebliche Rechtsmacht besaß. Maßgeblich sind nach Ansicht der neuen Rechtsprechung in Familiengesellschaften also nicht mehr die tatsächlichen Verhältnisse, sondern allein die rechtlichen Verhältnisse, weil es gerade im Falle eines familiären Zerwürfnisses auf die tatsächlich bestehende Rechtsmacht ankommt und eine „Schönwetter-Selbständigkeit“, die nur aufgrund des aus familiärer Verbundenheit folgenden Verzichts auf Weisungsrechte entsteht, kaum mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände vereinbar ist. 

Tipp: Maßgebend für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist die abstrakte Rechtsmacht. Diese wird durch Gebrauch zusätzlich bestätigt, geht aber allein durch fehlenden Gebrauch nicht verloren. Es kommt allein auf die rechtlichen Verhältnisse an. Entgegenstehende frühere BSG-Rechtsprechung ist überholt, nach der entscheidungserheblich war, ob die zu beurteilende Person „Kopf und Seele“ des Betriebes, alleiniger Branchenkenner oder mit dem Gesellschafter familiär verbunden ist oder in der Gesellschaft faktisch „frei schalten und walten kann“ wie sie will.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie im Mandantenbrief Januar 2014.

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