Entfernungspauschale bei Fahrten zum Sammelpunkt

Die Entfernungspauschale kann auch ohne erste Tätigkeitsstätte relevant sein. Betroffen sind die Fälle, in denen der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Festlegungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort (Sammelpunkt) oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet, typischerweise arbeitstäglich, aufsuchen muss.

Mit den Voraussetzungen hat sich der Bundesfinanzhof nun (erstmals) näher befasst.

Der Entscheidung des BFH vom 09. Juli 2021 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Baumaschinenführer gelangte zu den jeweiligen Arbeitsorten (Baustellen) entsprechend einer betriebsinternen Anweisung jeweils mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu sonstigen Arbeitsorten, an denen er (mehrtägig) übernachtete. Die Einsätze auf den „Fernbaustellen“ dauerten in der Regel die gesamte Woche. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrten zur Sammelstelle nur mit der Entfernungspauschale.

In seiner Entscheidung führt der BFH aus, dass die Frage, ob ein Arbeitnehmer (ohne erste Tätigkeitsstätte) zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet, typischerweise arbeitstäglich, aufzusuchen hat, durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt wird. Entscheidend ist hier die ex ante-Sicht (also die Sicht im Voraus).

Das Wort „typischerweise“ verlangt nicht, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das Gebiet im Veranlagungszeitraum ausnahmslos aufsuchen muss. Es ist nur erforderlich, dass er ihn nach der Anweisung „typischerweise arbeitstäglich“ aufzusuchen hat. Es kommt nicht darauf an, dass hierbei eine bestimmte prozentuale oder tageweise Grenze überschritten wird. Maßgebend ist, ob der Arbeitnehmer den Ort in der Regel aufsuchen muss. Ausnahmen sind durchaus möglich (z. B. unvorhergesehener Einsatz).

Ein dauerhaftes Aufsuchen liegt vor, wenn die Anordnung des Arbeitgebers zum Aufsuchen desselben Orts oder desselben weiträumigen Tätigkeitsgebiets unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus, erfolgt.

Weil das Finanzgericht Thüringen (Vorinstanz) einen Sammelpunkt im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG allein wegen der Anzahl der dorthin unternommenen Fahrten im Verhältnis zu den Gesamtarbeitstagen des Steuerpflichtigen angenommen hat, hat der BFH den Fall zurückverwiesen. 

Das Finanzgericht muss nun aufklären, ob der Steuerpflichtige den Sammelpunkt auch typischerweise arbeitstäglich aufsuchen sollte. Ob dies der Fall ist, wird entscheidend davon abhängen, ob von vornherein feststand, dass der Steuerpflichtige nicht nur auf eintägigen Baustellen eingesetzt werden würde, sondern auch auf mehrtägigen Fernbaustellen. Hierfür kann auch die Betriebsstruktur des Arbeitgebers eine Rolle spielen. Ist dies der Fall, läge aus der ex ante-Sicht kein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Betriebssitzes des Arbeitgebers vor.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie in dem Mandantenbrief November 2021.

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