Beginn des Kündigungsverbotes für schwangere Mitarbeiterinnen

BAG, Urteil vom 24.11.2022, Az. 2 AZR 11/22

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass das Kündigungsverbot im Mutterschutzgesetz als äußerste zeitliche Grenze 280 Tage vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin beginne.

Geklagt hatte eine hauswirtschaftliche Helferin gegen die ordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses während der Probezeit. Die Kündigung ging der Klägerin am 07.11.2020 zu. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage teilte sie dem Arbeitsgericht mit Schriftsatz vom 02.12.2020 mit, dass sie in der sechsten Woche schwanger sei. Der Arbeitgeber erfuhr davon erst am 07.12.2020 mit der Übersendung der Abschrift des Schriftsatzes. Diesem war eine Schwangerschaftsbestätigung einer Frauenärztin vom 26.11.2020 beigefügt.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht legte die Klägerin eine weitere Bescheinigung vor, aus der der voraussichtliche Geburtstermin mit dem 05.08.2021 angegeben war. Da die Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits schwanger gewesen sei, hielt sie die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot nach § 17 Abs. 1 MuSchG für unwirksam.

Ihre Kündigungsschutzklage scheiterte in den ersten beiden Instanzen. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht befanden, dass der voraussichtliche Entbindungstermin nur 266 Tage zurückgerechnet werden könne. Die vom BAG angewandte Rückrechnung um 280 Tage sei mit typischen Schwangerschaftsverläufen nicht in Einklang zu bringen, so die Vorinstanzen.

Die Revision der Klägerin vor dem BAG hatte jedoch Erfolg und die Sache wurde an das LAG zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Dem BAG zufolge werde der Beginn des Kündigungsverbots aus § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG bei natürlicher Empfängnis in entsprechender Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 MuSchG in der Weise bestimmt, dass vom ärztlich festgestellten mutmaßlichen Tag der Entbindung um 280 Tage zurückgerechnet wird. Dieser Zeitraum umfasse die mittlere Schwangerschaftsdauer. Er markiere die äußerste zeitliche Grenze, innerhalb derer bei normalem Zyklus eine Schwangerschaft vorliegen könne, so die Bundesrichter. Diese Auslegung stehe im Einklang mit dem Unionsrecht. Das in Art. 10 Nr. 1 Mutterschutzrichtlinie vorgesehene Kündigungsverbot solle verhindern, dass sich die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit dem Zustand der schwangeren Arbeitnehmerin in Verbindung stehen, schädlich auf ihre physische und psychische Verfassung auswirken könne. Daher sei vom frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft auszugehen, um die Sicherheit und den Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen zu gewährleisten. Diese Berechnungsmethode beruhe im Gegensatz zur Ansicht des LAG weder auf „Vermutungen“ noch handele es sich um eine „Fiktion“.

Das LAG habe nunmehr zu prüfen, ob die klagende Arbeitnehmerin die rechtzeitige Mitteilung der Schwangerschaft nach § 17 Abs. 1 Satz 2 MuSchG unverschuldet versäumt habe oder nicht. Sollte die Klägerin von der Schwangerschaft erst am 26.11.2020 erfahren haben, hätte sie die Mitteilung bei der Arbeitgeberin noch unverzüglich nachholen können.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie in dem Mandantenbrief April 2023.

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