Steuerpflicht von Erstattungszinsen zweifelhaft

Der 2. Senat des Finanzgerichts Münster hat in einem Beschluss vom 27. Oktober 2011 ernstliche Zweifel an der durch das Jahressteuergesetz 2010 rückwirkend angeordneten Besteuerung von Zinsen, die der Fiskus auf Steuererstattungen zahlt (sog. Erstattungszinsen), geäußert.

Im Streitfall hatte die Antragstellerin im Jahr 2008 Erstattungszinsen für die Jahre 2001 bis 2003 erhalten. Das Finanzamt besteuerte die Zinsen nach Maßgabe des Jahressteuergesetzes 2010 als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Der Bundesfinanzhof hatte im Jahr 2010 zunächst entschieden, dass Erstattungszinsen beim Empfänger nicht der Besteuerung unterliegen, soweit sie auf Steuern entfallen, die gemäß § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbar sind. Das sind die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern, sowie die Umsatzsteuer für Umsätze, die Entnahmen sind.

Als Reaktion darauf hatte der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz diese Rechtsprechung sozusagen aufgehoben und „klargestellt“, dass erstattete Einkommensteuerzinsen der Besteuerung unterliegen. Nachzahlungszinsen, die Steuerpflichtige an das Finanzamt zahlen müssen, können jedoch weiterhin nicht steuerlich geltend gemacht werden. Diese Regelung ist in allen Fällen anzuwenden, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.

Die Antragstellerin sah dies anders und beantragte beim Finanzgericht, die Vollziehung der streitigen Steuer für die Erstattungszinsen auszusetzen, da die durch das Jahressteuergesetz angeordnete Rückwirkung der Neuregelung nicht im Einklang mit dem Grundgesetz stehe.

Das Finanzgericht Münster gab der Antragstellerin Recht. Das Gericht stellte dabei nicht nur in Frage, ob die Regelung gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Rückwirkungsverbot verstoße. Es monierte zudem, dass der Gesetzgeber auf eine umfassende gesetzgeberische Neuregelung zur steuerlichen Behandlung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen verzichtet habe. Zwar sei der Gesetzgeber befugt, grundlegende Systemwechsel herbeizuführen. Allerdings bedürfe es hierfür eines „wirklich neuen Regelwerkes“ mit einem Mindestmaß von Ansätzen neuer Prinzipien oder Systemorientierung. Hebe der Gesetzgeber durch die im Jahressteuergesetz geregelte isolierte Begründung der Steuerpflicht für Erstattungszinsen die nach der bis dahin geltenden gesetzgeberischen Grundentscheidung möglicherweise gebotene Gleichbehandlung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen auf, so bedürfe es hierfür wohl einer systematischen Klarstellung.

Tipp: Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Um von einer möglichen positiven Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu profitieren, sollte Einspruch gegen die Einbeziehung der Zinsen in die Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen eingelegt und das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung durch den BFH beantragt werden.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie im Mandantenbrief Dezember 2011.

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