Schlechtes Geschäftsmodell – Entschädigung durch AGG-Hopping

LAG Hamm, Urteil vom 05.12.2023, Az. 6 Sa 896/23

Das LAG Hamm hat das „Geschäftsmodell“ eines Jura-Studenten, der sich auf eine Stelle als Sekretärin beworben hatte, als rechtsmissbräuchlich eingestuft.

Der männliche Student hatte eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gerichtlich eingefordert, nachdem er sich erfolglos auf eine Stelle als Sekretärin beworben hatte und er den Ablehnungsgrund mit seinem Geschlecht behauptete.

Vorausgegangen war eine Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle als „Bürokauffrau / Sekretärin" in einer 170 km entfernten Stadt. In seinem Anschreiben ging er auf die Anforderungen der Stelle nur rudimentär ein und erklärte lediglich, sieben Jahre Berufserfahrung in dem Bereich und eine abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann zu haben. Zeugnisse oder Ähnliches reichte er nicht ein, sein Anschreiben enthielt Rechtsschreib- und Grammatikfehler, die ihn als Bürokraft sofort disqualifizierten. Zudem verschwieg er, dass er eigentlich Wirtschaftsjura studierte. Er bekam keine Rückmeldung, die Stelle wurde mit einer Frau besetzt.

Aufgrund dessen verklagte er die Firma, die die Stelle ausgeschrieben hatte auf eine Entschädigung nach dem AGG wegen Diskriminierung als männliche Person. Im Laufe des Verfahrens stellte sich heraus, dass der Kläger bundesweit bereits eine Vielzahl gleicher Verfahren angestrengt hatte. Er ging dabei stets nach demselben Muster vor und alle waren gerichtet auf eine Entschädigung nach dem AGG.

Die Klage in diesem Verfahren wurde in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht als rechtsmissbräuchlich abgewiesen. In diese Kerbe schlug auch das Landesarbeitsgericht.

Die Berufungsrichter verneinten einen Entschädigungsanspruch wegen der behaupteten Benachteiligung nach dem AGG. Danach kann im Falle eines Verstoßes gegen die Gleichbehandlung ein Anspruch wegen Nichteinstellung von bis zu maximal drei Monatsgehältern zugesprochen werden.

Trotz des evidenten Verstoßes gegen das AGG in der konkreten Stellenausschreibung, die explizit auf eine weibliche Sekretärin abzielte, verneinten die Richter eine Entschädigung für den Studenten. Denn, so das Gericht, er habe sich gezielt missbräuchlich in den Bewerberstatus nach § 6 Abs. 1 S. 2 AGG gebracht, um anschließend eine Entschädigung wegen Benachteiligung als Mann zu fordern. Das treuwidrige Verhalten, um sich diese Rechtsposition zu verschaffen, begründe eine unzulässige Rechtsausübung iSd. § 242 BGB.

Zur Begründung stützte sich das Gericht auf das systematische und zielgerichtete Vorgehen des Klägers. Er habe sich nur auf Stellen beworben, die entgegen den Vorgaben des AGG geschlechtsspezifisch ausgeschrieben waren. Sein Vollzeitstudium Wirtschaftsrecht lasse, auch wenn im Fernstudium absolviert, eine Erwerbstätigkeit in Vollzeit auch gar nicht zu. Die Bewerbung sei mit den Rechtschreibfehlern und ohne aussagekräftige Unterlagen so ausgestaltet gewesen, dass sie nicht zum Erfolg führen könne. Die Gründe für eine Absage würden geradezu auf dem „Silbertablett präsentiert“.

Dass der Mann auch subjektiv rechtsmissbräuchlich handelte, schloss das LAG daraus, dass er sich mit der Rechtsprechung auseinandergesetzt hatte und sein Verhalten entsprechend im Laufe seiner Bewerbungsverfahren anpasste. Während er die Bewerbungsunterlagen bewusst untauglich belassen habe, habe er seine Bewerbungen im Laufe der Jahre der Rechtsprechung zum AGG-Hopping angepasst. Er habe im Verfahren praktisch ausschließlich rechtlich argumentiert, tatsächlichen Vortrag sei er hingegen stets schuldig geblieben.

Der Kläger habe auch zuvor im Rahmen der gerichtlichen Verhandlungen nie erklärt, warum er auch nur für eine der Stellen, auf die er sich beworben hatte, gut geeignet gewesen wäre. Stattdessen habe er nach mehreren in der Vergangenheit verlorenen AGG-Verfahren gezielt genau die Rechtsmissbrauchsmerkmale sukzessiv verringert, die die Gerichte ihm vorgehalten hatten.

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