Scheinselbständigkeit – Risiken erkennen und vermeiden

Wie erkenne ich, dass mein Auftragnehmer scheinselbständig ist und welche Risiken entstehen für den Auftraggeber bei einer Scheinselbständigkeit?

Der Begriff der "Scheinselbständigkeit" wird benutzt, wenn Erwerbstätige dem Grunde nach, also nach der Ausgestaltung ihrer Rechtsbeziehungen, zwar wie Selbständige behandelt werden, tatsächlich aber wie abhängig Beschäftigte arbeiten.

Die Scheinselbständigkeit ist für den „Scheinauftraggeber“ mit ganz erheblichen rechtlichen und damit wirtschaftlichen Risiken verbunden.

Wird bei einer Überprüfung durch die Sozialversicherungsträger oder den Zoll Scheinselbständigkeit festgestellt, wird der Auftraggeber rückwirkend zum Arbeitgeber des Scheinselbständigen mit der Folge, dass der Arbeitgeber ab dem Beginn des Vertragsverhältnisses alle Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen muss. Bemessungsgrundlage für die nachzuentrichtenden Beiträge sind die Bruttorechnungsbeträge, die der Scheinselbständige dem Auftraggeber in Rechnung gestellt hat. Darüber hinaus haftet der Auftraggeber für die nicht abgeführte Lohnsteuer. Außerdem macht sich der Auftraggeber, der einen Scheinselbständigen beschäftigt, wegen Beitragsvorenthaltung strafbar. Daneben kommt auch wegen der fehlenden Lohnversteuerung eine leichtfertige Steuerverkürzung oder eine Steuerhinterziehung in Betracht.

Um sich nicht diesen Haftungsrisiken auszusetzen, muss man folgende Merkmale kennen, bei deren Vorliegen eine Scheinselbständigkeit von den Behörden vermutet wird:

Bindung an nur einen Auftraggeber

Ist der Auftragnehmer auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig, spricht das für eine Scheinselbständigkeit. Die Bindung an nur einen Auftraggeber muss auf Dauer angelegt sein. Damit wird klargestellt, dass Selbständige in ihrer Gründungsphase noch nicht als abhängige Beschäftigte gelten. Gerade Existenzgründer haben häufig nur einen Auftraggeber. Wenn im Unternehmenskonzept die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern dargestellt ist, kann der Existenzgründer auch für eine längere Zeit nur für einen Auftraggeber tätig sein. Was „für eine längere Zeit“ bedeutet, ist Auslegungssache. Es kommt auf die Beurteilung im Einzelfall an. Kritisch dürfte schon ein Zeitraum von länger als einem Jahr sein.

Die Wesentlichkeitsgrenze ist erreicht, wenn der Betroffene mindestens fünf Sechstel seiner Gesamteinkünfte alleine aus der Tätigkeit mit einem Auftraggeber erzielt. Wenn der Betroffene fünf Sechstel seines Gesamtumsatzes nur mit einem Auftragsverhältnis macht, gilt der Auftragnehmer bei diesem Auftraggeber als abhängig Beschäftigter.

Arbeitnehmertypische Tätigkeit

Wenn der Auftraggeber entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten lässt, spricht das für eine Scheinselbständigkeit.

Mit diesem Kriterium wird von der Annahme ausgegangen, dass es Tätigkeiten gibt, die man nur als Arbeitnehmer ausüben kann. Tätigkeiten wie z. B. „selbständiger Kraftfahrer“ (ohne eigenes Fahrzeug) oder „freiberufliche Sekretärin“ eigenen sich nach Auffassung der Behörden von vorneherein nicht für ein selbständiges Auftragsverhältnis, weil sie arbeitnehmertypisch sind.

Keine typischen Merkmale unternehmerischen Handelns

Wenn die Tätigkeit des Auftragnehmers typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen lässt, spricht das für eine Scheinselbständigkeit. Anhaltspunkte für fehlendes unternehmertypisches Handeln sind z. B.: keine eigene Werbung, keine nachweisliche Akquise, keine eigenen Geschäftsräume, kein eigenes Firmenschild, keine Homepage, kein eigenes Briefpapier, keine Visitenkarten, etc.

Ein unternehmerisches Risiko fehlt regelmäßig auch dann, wenn der Auftragnehmer ausschließlich seine eigene Arbeitskraft einsetzt ohne weiteren Kapitaleinsatz.

Umwandlung eines Arbeitsverhältnisses in ein Auftragsverhältnis

Wenn die zu beurteilende Tätigkeit dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit entspricht, die der Auftragnehmer zuvor aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte, spricht das für eine Scheinselbständigkeit. Ein zuvor bestehendes Arbeitsverhältnis kann nicht einfach ohne dass sich die Zusammenarbeit ändert, in ein selbständiges Auftragsverhältnis überführt werden.

Tipp: Kann eines dieser Merkmale bejaht werden und beschäftigt der Auftragnehmer keinen weiteren sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, ist im Hinblick auf eine bestehende Scheinselbständigkeit Gefahr im Verzug.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie im Mandantenbrief November 2014.

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