Neuregelung bekommt Konturen

Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 17. Dezember 2014 urteilte, dass die Vorschriften zur Betriebsvermögensbegünstigung mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz abermals zu reformieren. Das Gericht hat dem Gesetzgeber eine Frist zu einer verfassungskonformen Ausgestaltung bis zum 30. Juni 2016 gegeben. Das Bundesfinanzministerium hat nun ein „Eckwertepapier“ zu den Reformüberlegungen bekannt gegeben. Dieses gibt erste Hinweise, wie das zukünftige Recht ausgestaltet sein könnte.

Wie zu erwarten, erfolgt keine grundsätzliche Neufassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes, sondern lediglich eine punktuelle Änderung, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden. Allerdings sollen diese Änderungen deutlich gravierender ausfallen, als bislang aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angenommen. Drei Kernbereiche sind herauszugreifen:

Keine Betriebsvermögensvergünstigung für Verwaltungsvermögen

Nach bisherigem Recht wird das Unternehmensvermögen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer verschont und zwar
- zu 85 % (Regelverschonung), wenn es zu max. 50 %
- zu 100 % (Optionsverschonung), wenn es zu max. 10 %
aus Verwaltungsvermögen besteht.

Zukünftig soll die bisherige Definition des Verwaltungsvermögens entfallen und der Begriff des begünstigten Vermögens neu definiert werden. Demnach sollen nach den Plänen des Bundesfinanzministeriums zum begünstigten Vermögen alle Wirtschaftsgüter eines Unternehmens gehören, die im Erwerbszeitpunkt zu mehr als 50 % (überwiegend) einer land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit (Hauptzweck) dienen.

Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb nur bis zu 50 % oder die losgelöst vom Betrieb der Vermögensverwaltung dienen, sollen nicht begünstigt sein. Die betrieblichen Schulden sollen konsolidiert und anteilig dem begünstigten und nicht begünstigten Vermögen zugeordnet werden (konsolidierte Netto-Betrachtung). Sofern der Anteil des Verwaltungsvermögens 10 % oder weniger des Vermögens beträgt, soll dies unschädlich sein.

Betriebsvermögensvergünstigungen grds. nur für kleine und mittlere Unternehmen

Bisher kann der Erwerber eine Verschonung von 85 % (Regelverschonung) oder optional eine Verschonung von 100 % (Optionsverschonung) für das von ihm erworbene Unternehmensvermögen unabhängig von der Größe des übertragenen Unternehmens erhalten. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss bei großen Unternehmen aber eine Bedürfnisprüfung erfolgen. Hierbei soll geprüft werden, ob die Erbschaftsteuer gezahlt werden kann, ohne dass betriebliches Vermögen eingesetzt werden muss.

Künftig soll daher die Verschonungsregel ohne Bedürfnisprüfung auf kleine und mittlere Unternehmen beschränkt werden. Zur Abgrenzung der kleinen und mittleren Unternehmen von großen Unternehmen sieht das Eckwertepapier eine erwerbsbezogene Obergrenze von € 20 Mio. vor. Liegt der Wert des begünstigten Vermögens unterhalb der € 20 Mio.-Grenze, soll der Erwerber wie bisher eine 85 %-ige oder 100 %-ige Verschonung unter Einhaltung der bisherigen Haltefristen und Lohnsummenregelungen erhalten.

Bei Erwerben über € 20 Mio. soll hingegen eine individuelle Bedürfnisprüfung zur Anwendung kommen. Im Rahmen der Bedürfnisprüfung soll jeder Erwerber nachweisen müssen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld sofort zu begleichen. Bei der Bedürfnisprüfung soll auch das vorhandene Privatvermögen und das bei der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergangene Privatvermögen berücksichtigt werden. Die Zumutbarkeitsgrenze soll bei 50 % dieser nicht betrieblichen Vermögenswerte gezogen werden. Von dieser Bedürfnisprüfung ist dann die Gewährung des Verschonungsabschlags insgesamt abhängig.

Lohnsummenregelung

Nach den bisherigen Regelungen sind Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern von der Lohnsummenregelung befreit. Für sie gelten lediglich die Haltefristen von 5 Jahren (Regelverschonung) bzw. 7 Jahren (Optionsverschonung), d. h. für diese Zeiträume müssen die bei Betriebsübergang im Unternehmen vorhandenen Lohnsummen gehalten werden.

Anstelle dieser 20-Arbeitnehmer-Regelung ist vorgesehen, dass bei Unternehmen mit einem Unter-nehmenswert bis € 1 Mio. auf die Prüfung der Lohnsummenregelung verzichtet wird (Nichtaufgriffsgrenze) und wie bisher lediglich die Behaltensfristen 5 bzw. 7 Jahren zu beachten sind. Für Unternehmen mit einem Unternehmenswert von mehr als € 1 Mio. soll die Lohnsummenregelung uneingeschränkt, also unabhängig von der Anzahl der Arbeitnehmer, gelten.

Tipp: Die genaue Ausgestaltung des Gesetzes bleibt abzuwarten. Von Seiten der Wirtschaft und der Verbände stoßen die bisher bekannt gewordenen Pläne des Bundesfinanzministeriums auf großen Widerstand. Zwei Tendenzen sind aber jetzt schon ablesbar: Die gesetzlichen Änderungen werden wohl nicht erst zum 30. Juni 2016 kommen, sondern früher.

Nach jetzigem Stand werden die Auswirkungen für größere mittelständische Unternehmen sehr viel gravierender ausfallen als bislang erwartet. Insoweit ist in einschlägigen Fällen dringend anzuraten, unter Hinzuziehung steuerlichen Rats auszuloten, ob derzeit noch das bestehende Recht für vorweggenommene Erbfolgen über Betriebsvermögen genutzt werden kann und soll.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie im Mandantenbrief Juni 2015. 

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