Kindergeld für ein vor Beginn der Ausbildung erkranktes Kind

Für die Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ist es nach der Rechtsprechung erforderlich, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen ist, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Neben diesem objektiven Tatbestandsmerkmal erfordert das Gesetz für die Gewährung von Kindergeld darüber hinaus als subjektives Tatbestandsmerkmal, dass das Kind ausbildungswillig ist.

Das Finanzgericht Hamburg hat am 17. Januar 2020 entschieden, dass ein ausbildungswilliges Kind, dass infolge einer Erkrankung daran gehindert ist, sich ernstlich um eine Berufsausbildung zu bemühen, ebenso zu behandeln ist wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet. Infolgedessen ist auch in diesem Fall Kindergeld zu gewähren. 

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: 

Die Tochter der Klägerin befand sich vom 01. August 2016 bis zum 08. Juni 2017 in einer Ausbildung. Sie unterbrach die Ausbildung krankheitsbedingt. Im Zeitraum Juni 2017 bis einschließlich Juli 2018 war sie erkrankt. Ab dem 01. August 2018 absolvierte A für ein Jahr den Bundesfreiwilligendienst. Für die Monate Juli 2017 bis einschließlich Juli 2018 wurde die Festsetzung des Kindergeldes aufgehoben und der Betrag zurückgefordert. Hiergegen legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein.

Das Finanzgericht Hamburg entschied zugunsten der Klägerin, da die Tochter ihre Ausbildung krankheitsbedingt abgebrochen und sich anschließend durch Bewerbungen um einen anderen Ausbildungsplatz bemüht hat. Nach Auffassung der Richter kann offenbleiben, ob unter Berücksichtigung der Erkrankung diese Bewerbungs-Bemühungen der Tochter als ernstlich einzuordnen sind.

Eine Berücksichtigung ist jedenfalls auch dann möglich, wenn das Kind – wie im Streitfall – infolge einer Erkrankung daran gehindert ist, sich ernstlich um eine Berufsausbildung zu bemühen.

Ausweislich der ärztlichen Bescheinigung war die Tochter im Streitzeitraum nicht in der Lage, sich um eine Ausbildung zu bemühen bzw. eine Ausbildung zu beginnen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war die Tochter im Streitzeitraum ausbildungswillig. Dieser Ausbildungswilligkeit ergab sich nicht nur aus dem Bekunden der Tochter, sie sei während der Erkrankung grundsätzlich gewillt gewesen, eine Ausbildung nach ihrer Genesung zu beginnen. Vielmehr gibt es objektive Tatsachen, die den Schluss auf diesen inneren Willen hier bestätigen. Schließlich hatte die Tochter nicht nur bereits vor der Erkrankung eine Ausbildung begonnen und lediglich krankheits-bedingt abgebrochen, sie hatte darüber hinaus auch während der Erkrankung die Initiative ergriffen und sich noch im Frühjahr 2018 um einen Ausbildungsplatz für den Sommer 2018 beworben.

Tipp: Die Entscheidung des BFH bleibt auch in diesem Fall abzuwarten.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie im Mandantenbrief Juni 2020.

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