Mindestlöhne sind auch während des Bereitschaftsdienstes zu zahlen

Seit einigen Jahren bestehen für bestimmte Branchen auf Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und des Mindestarbeitsbedingungengesetzes Mindestlöhne, die für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einer Branche verbindlich sind, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat oder gar ob er tarifgebunden ist.
 
So müssen etwa im Bauhaupt- und Baunebengewerbe, in der Gebäudereinigung, bei Briefdienstleistungen und Sicherheitsdienstleistungen sowie der Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst Mindestarbeitsbedingungen eingehalten werden.
 
Auch in der Pflegebranche, also in Betrieben, die überwiegend ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen, gilt ein Mindestentgelt, das 2012 € 8,75 und ab dem 01. Juli 2013 € 9,00 je Stunde (alte Bundesländer) beträgt.

Nach dem Bundesarbeitsgericht liegt Bereitschaftsdienst vor, wenn der Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufhalten muss, um, sobald es notwendig ist, seine Arbeit aufzunehmen. Während des Bereitschaftsdienstes darf der Arbeitnehmer ruhen oder sich anderweitig beschäftigen, solange seine beruflichen Leistungen nicht erforderlich sind.

Entgegen der früheren Ansicht des BAG zählen Bereitschaftsdienste nach der Rechtsprechung des EuGH wegen der persönlichen Anwesenheit am Arbeitsort zur Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes.

Von dieser arbeitsschutzrechtlichen Bewertung ist die Frage der Vergütung des Bereitschaftsdienstes zu trennen. Nach bisheriger Auffassung kann die Vergütung für Bereitschaftsdienste wegen der geringeren Arbeitsbelastung niedriger sein als für die normale Arbeitszeit. Ergeben sich allerdings Mindestarbeitsbedingungen aus einer Mindestlohnverordnung der betroffenen Branchen, wie hier der Pflegebranche, müsse sich eine geringere Vergütung der Bereitschaftszeiten aus der Mindestlohnverordnung ergeben. Enthalte dagegen eine Mindestlohnverordnung, wie § 2 PflegeArbbV, keine Differenzierung, sind die enthaltenen Mindestentgeltsätze auch für Bereitschaftsdienste zu leisten. 

Der konkrete Fall 

Die Klägerin war bei einem privaten Pflegedienst beschäftigt und wurde in einem katholischen Schwesternhaus zur Erbringung pflegerischer Leistungen bei zwei pflegebedürftigen Schwestern eingesetzt. Die katholische Kirche war Auftraggeberin der Beklagten. Vertraglich war die Erbringung von Rund-um-die-Uhr-Diensten, zumeist 15 Tage am Stück, geschuldet. Während der Dienste wohnte die Pflegerin im Schwesternheim in unmittelbarer Nähe zu den Schwestern. In diese Dienste fielen Zeiten der Vollarbeit sowie Bereitschaftszeiten. Eine Abgrenzung zwischen Vollarbeit und Bereitschaftsdienst wurde vertraglich nicht getroffen. Die Klägerin machte über ihre vertragliche Pauschalvergütung hinaus Entgeltansprüche unter Zugrundelegung des Mindestentgelts in Höhe von € 8,50 pro Stunde nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV geltend. Diesen Stundensatz begehrte sie für die vollen 24 Stunden eines Rund-um-die-Uhr-Dienstes.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage weitgehend entsprochen und lediglich, soweit die Klägerin auch für Pausenzeiten Vergütung begehrte, die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat erläutert, dass die Regelung über das Mindestentgelt in der Pflegebranche in § 2 Abs. 1 PflegeArbbV nicht nach der Art der erbrachten Tätigkeit differenziert, so dass auch im Bereitschaftsdienst erbrachte Arbeitsleistungen mit demselben Mindestentgeltsatz zu vergüten sind wie Arbeitsleistungen während der Vollarbeitszeit. Überwiegen im Rahmen der Leistungserbringung die pflegerischen Tätigkeiten der Grundpflege gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 1-33 SGB XI und ist somit der Anwendungsbereich der Mindestentgeltregelungen gemäß § 1 Abs. 3 PflegeArbbV eröffnet, seien auch andere Tätigkeiten, insbesondere solche der hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI mit dem Mindestentgeltsatz zu vergüten, so das Landesarbeitsgericht.

Zusammenfassung

  • Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Bereitschaftsdienste arbeitszeitrechtlich als Arbeitszeit zu bewerten. 
  • Grundsätzlich können Bereitschaftszeiten aber geringer vergütet werden als Einsatzzeiten. 
  • Sind auf ein Arbeitsverhältnis allerdings Mindestlöhne anzuwenden, bedarf die vergütungsrechtliche Differenzierung zwischen Vollarbeit und Bereitschaftsdienst einer rechtlichen Grundlage in der Mindestlohnverordnung selbst. Kann der Mindestlohnverordnung eine vergütungsrechtliche Differenzierung zwischen Vollarbeit und Bereitschaftsdienst nicht entnommen werden, sind auch die im Bereitschaftsdienst erbrachten Arbeitsleistungen mit demselben Mindestentgeltsatz zu vergüten wie Arbeitsleistungen während der Vollarbeitszeit.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie im Mandantenbrief August 2013.

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