Kündigung eines Arbeitnehmers nach mehrstündigen „Sitzstreik“

Ein „Sitzstreik“ im Büro des Vorgesetzen zur Durchsetzung einer Vertragsänderung kann zu einer verhaltensbedingten fristgemäßen Kündigung  - auch eines langjährigen Mitarbeiters – führen, wie das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied.

„Ich gehe hier erst weg, wenn ich einen neuen Vertrag habe!“

Die 44-jährige Klägerin war seit 1992 bei der Beklagten beschäftigt, seit Juni 2012 als Leiterin eines Zustellstützpunktes. In dieser Funktion war sie Vorgesetzte von rund 300 Zustellern. Sie war in die höchste tarifliche Entgeltgruppe, die Entgeltgruppe 9, eingruppiert.

Bereits nach der Übertragung der Leitung verlangte die Klägerin in einer Vielzahl von mit dem Niederlassungsleiter und/oder ihrer Abteilungsleiterin geführten Gesprächen eine Vergütung als außertarifliche Angestellte, also eine Vergütung nach einem sog. „AT-Vertrag“. Nachdem ihr letztendlich am 15.04.2014 durch den Niederlassungsleiter abschließend mitgeteilt wurde, dass sie keinen AT-Vertrag erhalten könne und werde, forderte die Mitarbeiterin am 21.05.2014, 22.05.2014 und 23.05.2014 erneut einen solchen AT-Vertrag. Sie wurde in diesem Zusammenhang vom Niederlassungsleiter schließlich am 23.05.2014 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass keine Bereitschaft mehr zur Erörterung der Vergütungsfrage bestehe. Darauf teilte die Klägerin mit, dass „sie ihren Posten niederlege.“

Am 28.05.2014 eskalierte die Situation dann endgültig. An diesem Tag war die Mitarbeiterin für 16:00 Uhr zu einem klärenden Gespräch mit ihren Vorgesetzten eingetreten, zu welchem sie auch erschien. Dort forderte sie erneut und nachhaltig einen AT-Vertrag, was zurückgewiesen wurde. Um 16:50 Uhr beendete der Niederlassungsleiter das Gespräch und forderte die Klägerin zum Verlassen seines Dienstzimmers auf. Das verweigerte die Klägerin mit dem Hinweis, sie gehe erst, wenn ihre Bedingungen erfüllt seien.

Trotz eines Hinweises auf das Hausrecht und Fristsetzung zum Verlassen des Büros, änderte die Mitarbeiterin ihren Standpunkt ebenso wenig wie ihre Sitzposition, so dass letztendlich der Niederlassungsleiter und die Abteilungsleiterin Personal den Raum verließen. Auch der von diesen eingeschalteten unmittelbaren Vorgesetzten der Klägerin gelang es nicht, die Klägerin zum Gehen zu bewegen. Die Klägerin verblieb schließlich allein im Dienstzimmer des Niederlassungsleiters.

Nach knapp einer Stunde kehrten die drei Führungskräfte der beklagten Arbeitgeberin in das Dienstzimmer zurück, aus dem sich die Klägerin nach wie vor nicht entfernt hatte. Der streikenden Mitarbeiterin wurde abermals verdeutlicht, dass ihr Verhalten Konsequenzen haben könne und sie eine Kündigung riskiere.

Polizei muss Mitarbeiterin zum Gehen bewegen

Da auch dies die Klägerin nicht zum Anlass nahm das Büro zu räumen, sah sich die Arbeitgeberin schließlich dazu veranlasst, die Polizei einzuschalten. Dieser gelang es immerhin die Mitarbeiterin in ein Besprechungszimmer zu geleiten – mittlerweile war es gegen 18:45 Uhr. In dem Besprechungszimmer wurden der Klägerin ein schriftliches Hausverbot sowie eine Freistellung von der Arbeitsleistung überreicht und gegen 19:40 Uhr verließ sie dann schließlich in Begleitung der Polizei das Betriebsgelände.

Auch am nächsten Tag keine Einsicht der Streikenden

Am frühen Morgen des Folgetages versandte die Klägerin an zahlreiche Mitarbeiter der Niederlassung eine E-Mail, in der sie sich ohne Schilderung ihrer eigenen Vorgehensweise als Bauernopfer bezeichnete und u. a. schrieb: „Wer solche Vorgesetzten hat, benötigt keine Feinde mehr.“ Nachdem der Klägerin mit Schreiben vom 05.06.2014 die Möglichkeit eingeräumt wurde, zu einer evtl. beabsichtigten, ggf. außerordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung bis zum 12.06.2014 Stellung zu nehmen, kündigte die Beklagte schließlich das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.06.2014 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.01.2015.

Klage vor dem Arbeitsgericht noch erfolgreich

Die hiergegen zum Arbeitsgericht erhobene Kündigungsschutzklage war für die Klägerin noch erfolgreich. U. a war das Gericht der Ansicht, dass das Verhalten der Klägerin nicht sehr gravierend, auch nicht aggressiv, teilweise erkennbar kindisch gewesen sei. Angesichts der langen Betriebszugehörigkeit habe unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nur eine Abmahnung ausgesprochen werden dürfen.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin hatte jedenfalls in der Hinsicht erfolgt, dass zwar nicht die fristlose Kündigung, jedoch aber die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung als zulässig angesehen wurde.

Das Verhalten der Klägerin durch ihren „Sitzstreik“ vom 28.05.2014 und die Versendung der E-Mail an diverse Mitarbeiter am Folgetag stelle eine derart gravierende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, das auch unter Berücksichtigung der 22-jährigen Betriebszugehörigkeit eine fristgemäße verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sei, urteilten die Berufungsrichter.

Das Urteil ist rechtskräftig, da eine Revision wegen des ausschließlichen Einzelfallcharakters nicht zugelassen wurde.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie im Mandantenbrief November 2015.

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