Gefahr aus dem „Reich der Mitte“ abgewendet – Audi gewinnt Markenrechtsstreit gegen NIO

LG München I, Urteil vom 19.01.2023 - 1 HK O 13543/21

Nach einer Entscheidung des Landgerichts München I bestehe zwischen den für den deutschen Automobilhersteller Audi geschützten Marken „S 6“ und „S 8“ und den vom chinesischen Automobilhersteller NIO verwendeten Bezeichnungen „es 6“ und „es 8“ eine Verwechslungsgefahr. Audi habe einen Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz.

Immer mehr chinesische Automobilhersteller drängen auf den europäischen Markt, so auch das im Jahre 2014 gegründete Start-Up „NIO“, welches sich auf die Fertigung von Elektroautos spezialisiert hat. Auf der Internetseite von NIO bewirbt der Hersteller zwei seiner Fahrzeuge mit dem Firmennamen sowie dem Zusatz „es 6" beziehungsweise „es 8". NIO plant dergestalt beworbene Fahrzeuge in Deutschland auf den Markt zu bringen.

Darin sah Audi die eingetragenen Marken „S 6“ und „S 8“ aufgrund einer sehr großen Ähnlichkeit der Bezeichnungen als gefährdet an und nahm das chinesische Unternehmen auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch.

Die Klage hat vor dem Landgericht Erfolg. Die Richter bejahten eine Verwechslungsgefahr der beiden Zeichen durch ein „gedankliches Inverbindungbringen“. Der in der Werbung zu sehende Firmenname „NIO" habe insofern bei der Beurteilung außer Betracht zu bleiben. Denn bei dem angegriffenen Zeichen „es 6" beziehungsweise „es 8" handele es sich erkennbar um eine Kfz-Typenbezeichnung und es gebe im Automobilbereich die Gepflogenheit, Typenbezeichnungen als eigenständige Marken im Sinne von Zweitmarken anzusehen, so die Richter. Es gelte dann der Grundsatz, dass Marken als Ganzes zu vergleichen seien.

Und ein solcher Vergleich falle zugunsten der Markeninhaberin aus. Denn auch der zusätzliche Buchstabe „E" sichere keine hinreichende Unterscheidungskraft. Dieser Zusatz führe zwar zu einer schriftbildlichen Abweichung, beide Bezeichnungen würden jedoch zumindest in klanglicher Hinsicht gedanklich in Verbindung gebracht, was zu einer mittelbaren Verwechslungsgefahr führe.

Des Weiteren sei zu befürchten, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise das „E" in beispielsweise „es 6“ als einen Hinweis auf den Motortyp des Fahrzeugs missverstehe. So sei der Buchstabe „E" als Abkürzung für „Elektro" / „elektronisch" inzwischen allgegenwärtig. Der Buchstabengebrauch betreffe sämtliche, insbesondere auch den Automobilbereich. Der Ausbau der „E-Mobilität“ sei ein wichtiges Gesellschaftsthema. Dementsprechend werde ein Kraftfahrzeug, das über einen Elektromotor verfüge, nicht nur als Elektroauto, sondern auch sehr häufig kurz als „E-Auto" bezeichnet, befand das Gericht. Es bestehe daher die Gefahr, dass Verbraucher annehmen könnten, dass es sich bei einem „es 6" um eine Elektroversion des „S 6“ handeln könne und die beiden Fahrzeuge vom selben Hersteller stammen könnten. Es gebe damit eine über die reine Assoziation hinausgehende Gefahr einer Verwechslung durch Inverbindungbringen.

Ob das Urteil rechtskräftig ist, ist diesseits nicht bekannt.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie in dem Mandantenbrief Februar 2023.

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