Darf’s noch etwas mehr sein? – Zum Widerruf bei Matratzenkäufen auf Kaffeefahrten

Landgericht Berlin, Urteil vom 03.08.2016, Az.: 15 O 54/16

„Dürfen wir Ihre neue Matratze gleich auspacken und auf‘s Bett legen?“ so oder so ähnlich bot eine Kaffeefahrtveranstalterin ihren Kunden nach dem Erwerb von Matratzen einen vermeintlichen Service an, der aber dazu führen sollte, dass die Kaufverträge über die Matratzen nicht mehr widerrufen werden konnten. Dies jedenfalls nach der Ansicht der Kaffeefahrtveranstalterin.

Auspacken und gleichzeitiger Ausschluss des Widerrufsrechts

Eine Firma, die sog. Kaffeefahrten veranstaltet, vertreibt auf ihren Verkaufsveranstaltungen Matratzen. Teilnehmer dieser Unternehmungen, die Matratzen gekauft hatten, ließ die Veranstalterin bei der Anlieferung an der Haustür unterschreiben, dass der Kunde damit einverstanden sei, dass die Matratzen ausgepackt und auf die Betten gelegt würden.

Stellten die Kunden dann aber nach kurzer Zeit fest, dass die auf der Kaffeefahrt erworbenen Matratzen doch nicht so super waren und wollten sie von ihrem gesetzlich geregelten Widerrufsrecht Gebrauch machen, weigerte sich die Kaffeefahrtveranstalterin, die Matratzen zurücknehmen. Dabei berief sie sich auf eine Klausel im Kaufvertrag, die die Rückgabe von reduzierten, geöffneten oder benutzten Waren ausdrücklich ausschloss. Die Kunden hatten schließlich bei der Anlieferung der Matratzen dafür unterschrieben, dass diese ausgepackt werden dürften.

Diese Praxis sah die Verbraucherzentrale Berlin als unzulässig an und nahm die Kaffeefahrtveranstalterin auf Unterlassung in Anspruch. Da die geforderte Unterlassungserklärung außergerichtlich nicht abgegeben wurde, klagte die Verbraucherzentrale und bekam Recht.

Keine zulässige Beschränkung des Widerrufsrechts

Die Verbraucherzentrale argumentierte, dass mit dem Auspacken der Ware beim Kunden und dem gleichzeitigen Ausschluss des Widerrufsrechts für ausgepackte und benutzte Ware die Kaffeefahrtveranstalterin in unzulässiger Weise versucht habe, das gesetzliche Widerrufsrecht auszuhebeln. Die Richter des Landgerichts Berlin schlossen sich dieser Argumentation an und gaben der Unterlassungsklage statt.

Das Gericht führte aus, dass derjenige, der auf einer Kaffeefahrt eine Ware erwerbe, könne den Vertrag (selbstverständlich nur bei ordnungsgemäßer Belehrung) innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Einschränkungen des Widerrufsrechts wie im zu entscheidenden Fall sehe das Gesetz nicht vor. Der Kunde dürfe die Ware vergleichbar wie im Ladengeschäft sogar testen. Voraussetzung sei aber, dass der Kunde dabei sorgsam vorgehe und die Ware nicht beschädige oder verschmutze. Habe der Kunde, wie auf einer Kaffeefahrt, gar keine Möglichkeit, verschiedene Angebote zu prüfen und miteinander zu vergleichen, sei auch eine längere Testphase durchaus zulässig, so die Richter weiter.

Verpackung stellte keine Versiegelung dar

Auch konnte sich die beklagte Veranstalterin nicht auf die Ausnahmeregelung des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB berufen. Danach können Verträge über versiegelte Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, nach dem Entfernen der Versiegelung nicht mehr widerrufen werden. Hierzu zählen etwa Kosmetika, bestimmte medizinische Produkte und auch einige Erotikartikel. Nach den Ausführungen des Gerichts zählen Matratzen jedoch nicht zu dieser Warengruppe. Zudem stellte die bloße Verpackung der Matratzen schon keine Versiegelung dar. Diese müsse für den Verbraucher aber als solche erkennbar sein.

Die Verbraucherzentrale wies ergänzend darauf hin, dass der Händler in Fällen, in denen der Kunde sein Widerrufsrecht nach Siegelbruch verliere, deutlich darüber informieren müsse.

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie im Mandantenbrief Februar 2017.

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