Privates Veräußerungsgeschäft bei entgeltlichem Verzicht auf ein Nießbrauchrecht

Das Finanzgericht Münster hat am 12. Dezember 2023 entschieden, dass der Verzicht auf ein Nießbrauchrecht kein privates Veräußerungsgeschäft gem. § 23 EStG auslöst.

Im Streitfall des Finanzgerichts Münster wurde der Steuerpflichtigen im Jahr 2008 durch ein Vermächtnis ein Nießbrauchrecht an einem Grundstück zugewendet. Im Jahr 2012 überließ sie das Grundstück an eine Kommanditgesellschaft, an der sie als Gesellschafterin beteiligt war. Die Mieteinnahmen stellten Sonderbetriebseinnahmen dar.

Nachdem sie 2018 aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden war, überführte sie das Nießbrauchrecht mit einem Wert von € 0,00 in ihr Privatvermögen und erfasste die Mieteinnahmen fortan als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im November 2019 verzichtete sie gegen eine Entschädigungszahlung auf ihr Nießbrauchrecht.

Das Finanzamt vertrat nun die Ansicht, dass die Ablösung des Nießbrauchs nach § 23 EStG zu besteuern sei, da die Entnahme des Nießbrauchrechts aus dem Sonderbetriebsvermögen zu einer Anschaffung geführt habe. Somit sei der entgeltliche Verzicht innerhalb der – wegen der Nutzung als Einkunftsquelle nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG verlängerten – zehnjährigen Veräußerungsfrist erfolgt. Die Steuerpflichtige hielt dem entgegen, dass das Nießbrauchrecht nicht veräußert, sondern – als nicht übertragbares Recht – nur abgelöst wurde. Sie legte in der Folge Klage ein – und zwar erfolgreich.

Ein Nießbrauchrecht ist ein gegenüber dem Eigentum an der belasteten Sache verselbstständigtes, dingliches Nutzungsrecht und damit ein (einlage- und entnahmefähiges) Wirtschaftsgut iSd. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Somit hatte die Steuerpflichtige das Nießbrauchrecht im Jahr 2018 durch Entnahme in das Privatvermögen übernommen.

Das Nießbrauchrecht war durch den entgeltlichen Verzicht im Jahr 2019 jedoch nicht veräußert worden. Denn eine Veräußerung setzt nicht nur die Entgeltlichkeit des Übertragungsvorgangs voraus, sondern auch einen Rechtsträgerwechsel an dem veräußerten Wirtschaftsgut.

Der Verzicht auf ein Nießbrauchrecht führt somit nicht dazu, dass dieses Wirtschaftsgut an den Grundstückseigentümer (zurück) übertragen wird, sondern zu dessen Erlöschen. Insofern handelt es sich um die endgültige Aufgabe eines Vermögenswerts in seiner Substanz und damit um einen veräußerungsähnlichen Vorgang, der von § 23 EStG aber nicht erfasst wird.

Tipp: Ob der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchrecht ein Veräußerungsvorgang oder lediglich ein veräußerungsähnlicher Vorgang ist, wurde vom Bundesfinanzhof im Kontext des § 23 EStG bisher noch nicht entschieden. Aus diesem Grund hat das Finanzgericht Münster die Revision zugelassen. 

Diesen Artikel und weitere Steuernews lesen Sie in dem Mandantenbrief März 2024.

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